Demenz: Hilfe für Angehörige

Demenz: 7 hilfreiche Tipps für Angehörige

Demenz ist eine Herausforderung, die nicht nur die Betroffenen, sondern auch deren Familien, Freundeskreis und das Umfeld tiefgreifend beeinflusst. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste und bekannteste Unterform der Demenzerkrankungen.

Menschen mit Alzheimer-Demenz werden durch das Absterben von Nervenzellen zunehmend orientierungslos, verwirrt und vergesslich. Darum wird Alzheimer auch als die Krankheit der Angehörigen bzw. der ganzen Familie bezeichnet. Acht von zehn Betroffenen werden zu Hause betreut. Die Angehörigen stehen durch die Erkrankung ihrer Partnerin/ihres Partners oder eines Elternteils vor vielen Problemen und Fragen.

Um durch Überforderung nicht selbst krank zu werden, ist eine gründliche Information über Demenz und die vorhandenen Hilfsangebote wichtig. In Oberösterreich bieten elf Demenz-Servicestellen niederschwellige Angebote: Beratung, klinisch-psychologische Untersuchungen, ein speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz abgestimmtes Ressourcentraining sowie Vorträge und kostenlose Treffen für die Angehörigen. Sie sind Teil des Netzwerks Demenz Oberösterreich.

Um einen möglichst praxisnahen Beitrag zu veröffentlichen, haben wir bei Karin Laschalt nachgefragt. Sie ist diplomierte Sozialarbeiterin bei der MAS Alzheimerhilfe (MAS steht für Morbus-Alzheimer-Syndrom), Bereichsleitung Angehörige und Betroffene in der Demenz-Servicestelle Linz Nord/Urfahr. Karin unterstützt demenzkranke Menschen und kennt die Sorgen und Nöte der Angehörigen, die täglich mit den Herausforderungen der Demenz konfrontiert sind.

Karin, wie verläuft die Krankheit?

Erste Symptome, die auch dem Umfeld auffallen, sind häufig Konzentrationsprobleme, Schwierigkeiten bei der  Orientierung, Störungen des Kurzzeitgedächtnisses, aber auch Wortfindungsstörungen. Im weiteren Verlauf können komplexe Aufgaben nicht mehr ohne Hilfe durchgeführt werden (z. B. einkaufen, kochen etc.). Im mittelschweren Stadium verschlechtert sich die Gedächtnisleistung mehr und mehr (z. B. eigene Adresse nicht mehr wissen, Namen nahestehender Personen werden vergessen etc.) und es kommt zu Problemen bei der Auswahl der Kleidung usw.

Im schweren Stadium der Alzheimer-Demenz geht die Orientierung verloren und Betroffene brauchen körperlich Unterstützung (z. B. beim Anziehen, bei der Körperpflege, am WC etc.). Betroffene mit sehr schwerer Alzheimer-Demenz brauchen Hilfe bei allen Aufgaben des täglichen Lebens. Die Sprech- und Gehfähigkeit sowie im letzten Stadium auch die Fähigkeit zu sitzen, zu lächeln und den Kopf aufrecht zu halten, gehen verloren.

„Auch wenn die Erinnerungen von Menschen mit Demenz manchmal durcheinander geraten, sollen sie mit all ihren Empfindungen und Bedürfnissen ernst genommen werden!

Karin Laschalt, Dipl. Sozialarbeiterin 
Bereichsleitung Angehörige und Betroffene
bei der MAS Alzheimerhilfe

Wie wichtig sind Früherkennung und eine Diagnose?

Eine nachlassende geistige Leistungsfähigkeit muss nicht unbedingt Zeichen einer Demenzerkrankung sein. Wenn man aber vergesslicher wird und sich Gedanken oder Sorgen macht, sollte man unbedingt eine Früherkennung in Anspruch nehmen. Möglicherweise stecken hinter den Symptomen andere Erkrankungen (u. B. Mangelerscheinungen, Schilddrüsenfehlfunktionen, Depression etc.), die eventuell gut behandelbar sind. Selbst wenn im Rahmen die Untersuchungen zum Ergebnis Demenz führen, ist eine frühzeitige Diagnose erstrebenswert. Je früher mit einer medizinischen Therapie, aber auch mit psychosozialen Unterstützungsmöglichkeiten begonnen wird, umso besser. So kann der Verlauf der Erkrankung verzögert werden. Die Selbständigkeit kann länger erhalten bleiben und die Lebensqualität verbessert sind.

Was brauchen Menschen mit Demenz/Alzheimer?

Wenn Betroffene im Umfeld die ersten Anzeichen ansprechen, stoßen sie häufig auf Unverständnis bzw. das Phänomen, nicht ernst genommen zu werden. Aussagen wie „ich vergesse auch manchmal was“ oder „in deinem Alter ist es normal, was zu vergessen“, helfen den Betroffenen nicht weiter. Im Umkehrschluss möchte ich damit sagen: Bitte nehmen Sie solche Aussagen ernst und zeigen Sie Verständnis für die Sorgen, die sich eine Person aus Ihrem Umfeld macht. Dies kann zu einer frühzeitigen Diagnose und somit zu frühzeitiger Unterstützung beitragen.

Im Verlauf der Erkrankung ist eine einfühlsame Unterstützung für Betroffene wichtig. Also Unterstützung ja, aber im passenden Ausmaß. Auch im Alltag sollten unbedingt die Fähigkeiten, die noch vorhanden sind, gefördert werden. Betroffene brauchen das Gefühl, noch etwas wert zu sein, noch etwas leisten zu können – sie brauchen also dementsprechend Herausforderungen, die sie bewältigen können.

Soziale Kontakte sind sehr wichtig für alle Menschen, also nach wie vor auch für Menschen mit Demenz. Ein Rückzug von Freund:innen oder Bekannten passiert häufig aus Unsicherheit. Informieren Sie sich über die Erkrankung und gehen Sie offen auf die betroffene Familie zu und bieten Sie Ihre Hilfe an.

Demenz Alzheimer

Warum sollten auch Angehörige professionelle Hilfe annehmen?

Eine Demenzerkrankung kann sowohl für Betroffene als auch für Angehörige eine große Belastung sein. Daher ist Unterstützung für beide Seiten vonnöten. Befindet man sich aber mitten in der Situation, „sieht man häufig den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr“. Das Umfeld meint es oft gut, gibt die unterschiedlichsten Tipps und die Recherche im Internet tut ihr Übriges. Viele wissen nicht mehr, was sie noch glauben oder woran sie sich orientieren sollen. Erfahrene Mitarbeiter:innen von Beratungsstellen können Ängste, Sorgen und Nöte sortieren helfen und – gemeinsam mit der Familie – die zum jeweiligen Zeitpunkt passende Unterstützung ermitteln und in die Wege leiten.

Was sollten Angehörige in der Kommunikation mit demenzkranken Menschen beachten?

Zu Beginn der Erkrankung ist verbale Kommunikation meist noch uneingeschränkt möglich. Mit dem Fortschreiten der Demenz gehen aber die Sprache und die Bedeutung der Worte mehr und mehr verloren. Umso mehr orientieren sich Betroffene an der Körpersprache, aber auch an Gefühlen und Stimmungen, die während des Gesprächs vermittelt werden. Auch wenn die Erinnerung von Personen mit Demenz manchmal durcheinander geraten, sollen sie mit allen ihren Empfindungen und Bedürfnissen ernst genommen werden. 

Sieben konkrete Tipps: 

  • Suchen Sie Blickkontakt. 
  • Geben sie klare Informationen und nehmen Sie sich Zeit dafür.            
  • Sprechen Sie in kurzen Sätzen und bieten Sie Unterstützung durch Körpersprache. 
  • Lassen Sie die Meinung/Sichtweise des betroffenen Menschen auch gelten. 
  • Vermeiden Sie möglichst offene Fragen. (Fragen, auf die frei geantwortet werden muss und die keine Antwortmöglichkeiten vorgeben.)
  • Beziehen Sie Emotionen mit ein und kommunizieren Sie wertschätzend (z. B. reden Sie nicht im Beisein von Betroffenen über sie). 
  • Weisen Sie möglichst nicht immer auf die Defizite der betroffenen Person hin.

Wie können Angehörige unterstützen, um den Abbau der geistigen und praktischen Fähigkeiten der Betroffenen so lange wie möglich hinauszuzögern?

Trotz vieler Forschungen ist Alzheimer noch nicht heilbar. Jedoch kann – zusätzlich zur medizinischen Behandlung – mittels psychosozialer Methoden eine wesentliche Verbesserung der Situation erzielt werden, indem die Krankheit besser bewältigt oder in vielen Fällen auch der Krankheitsverlauf verlangsamt wird. Dazu tragen auch die Beschäftigung und die Einbeziehung im Alltag bei. Angehörige sollten so viel Unterstützung wie notwendig geben, aber so wenig wie möglich. Bestimmte Tätigkeiten im Alltag (oder Teile davon) noch selbst bewältigen zu können, steigert den Selbstwert und trägt dazu bei, die vorhandenen Fähigkeiten so lange wie möglich aufrechtzuerhalten.

Beispiele dafür: 

  • Einbeziehen in möglichst viele Tätigkeiten des Alltags im und rund ums Haus
  • Bewegung (Spaziergänge, Turnübungen, Tanzen etc.)
  • Rechenübungen (Ausrechnen von Backzutaten, Zählen aller vorbeifahrenden Autos etc.)
  • Sprichwörter und Reime machen oft Spaß
  • In früheren Zeiten schwelgen (Fotoalben etc.)
  • Sozialkontakte pflegen (Kartenspielen etc.)

Zusätzlich kann professionelles Training der Ressourcen eine wichtige Unterstützung sein. MAS-Ressourcentrainings-Gruppen sind speziell auf die Bedürfnisse von Personen mit Demenz abgestimmt und Betroffene werden entsprechend ihrer Fähigkeiten und des Demenzstadiums in Gruppen eingeteilt. Das Training enthält verschiedenste Elemente zur Erhaltung und Förderung der vorhandenen Fähigkeiten, zur Aktivierung des Gedächtnisses und Förderung der Alltagskompetenz, zur Unterstützung der Mobilität und Motorik und fördert gleichzeitig die Sozialkontakte

Demenz Alzheimer

Welche Entlastungsmöglichkeiten gibt es für Angehörige?

Die Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz fordern von den Angehörigen viel Zeit, Kraft und Geduld. Über die Jahre kann das zu Erschöpfungszuständen bis hin zu psychosomatischen Beschwerden oder Krankheiten führen. Umso wichtiger ist es, dass Angehörige sich rechtzeitig Unterstützung holen. Informationen über die Erkrankung sind oft schon der erste Schritt zur Entlastung. Wenn Angehörige wissen, welche Veränderungen „normal“ sind und Tipps im Umgang bekommen erleichtert das die Situation oft enorm. Es kann für Angehörige auch entlastend sein, Familie, Freundinnen und Nachbar:innen miteinzubeziehen und kleine Aufgaben zu verteilen.

Über kurz oder lang nehmen die meisten Familien professionelle Dienste in Anspruch (Beratungsstellen, mobile Pflegedienste, Essen auf Rädern, Tagesbetreuung, Kurzzeitpflege etc.). Über die eigene Situation zu sprechen, kann ebenso entlastend sein. Entweder im Gespräch mit Freund:innen, in einer Beratungsstelle oder auch im Rahmen von Selbsthilfegruppen. Die Demenzservicestellen der MAS Alzheimerhilfe und der übrigen Trägerorganisationen des Netzwerks Demenz Oberösterreich (Volkshilfe und Magistrat Wels) bieten neben Einzelberatung auch Vorträge für Angehörige und Gesprächsgruppen für Angehörige von Menschen mit Demenz an.

Sind die begleiteten und kostenlosen Angehörigengruppen der MAS Alzheimerhilfe gut besucht?

Ja. Viele Teilnehmer:innen der Angehörigengruppen kommen regelmäßig und empfinden es als wichtigen Fixpunkt. Sie kennen sich mittlerweile, geben sich Tipps und unterstützen sich gegenseitig. Eine Teilnehmerin erklärte mir einmal, dass sie die Treffen jedes Mal wie eine Aufbauspritze erlebt. Sie kommt belastet und geht gestärkt wieder nach Hause. Die „Spritze“ hält dann eine Zeit lang an und dann ist sie froh, wenn wieder der nächste Termin ansteht.

Zum Schluss: Was ist für dich besonders wichtig, zu sagen?

Demenz wird auch als Krankheit der ganzen Familie bezeichnet. Das finde ich sehr treffend. Daher ist es mir großes ein Anliegen, Betroffene ebenso wie Angehörige zu ermutigen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es hilft niemandem weiter, sich bis zur Erschöpfung aufzuopfern. Nur wer auf sich selbst schaut und Unterstützung in Anspruch nimmt, kann langfristig genug Kraft aufbringen, diese herausfordernde Zeit zu meistern – um sich so lange wie möglich zu Hause um die Betroffenen zu kümmern.

Links

Karin Laschalt, Dipl. Sozialarbeiterin – Bereichsleitung Angehörige und Betroffene bei der MAS Alzheimerhilfe: karin.laschalt@mas.or.at

Demenzservicestellen der MAS Alzheimerhilfe OÖ: https://www.alzheimerhilfe.at/demenzservicestellen/

Pflege in Oberösterreich – Netzwerk Demenz OÖ: https://www.pflegeinfo-ooe.at/unterst%c3%bctzung-f%c3%bcr-pflegende-angeh%c3%b6rige/tipps-bei-demenz/netzwerk-demenz

DEMENZ & ICH – Onlineschulung für Angehörige: https://www.alzheimerhilfe.at/demenz-ich/#_demenz-und-ich-content

MAS Alzheimerurlaub für Paare – Entlastung ohne Trennung: https://www.alzheimerhilfe.at/warum-alzheimerurlaub/#warum-urlaub-content

… und zu den Selbsthilfetreffen für Angehörige von Menschen mit Demenz in OÖ: https://www.selbsthilfe-ooe.at/selbsthilfegruppen

 

Wir danken Gastautorin Karin Laschalt für die ausführliche Beantwortung unserer Fragen!

 

FOTOS: ADOBE STOCK | PIXABAY | MAS ALZHEIMERHILFE

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