Wann beginnt Mobbing?

Mobbing – wann beginnt es?

Mobbing ist ein soziales Phänomen, das in den unterschiedlichsten Bereichen vorkommen kann. Das Prinzip ist immer dasselbe: Ein Mensch wird auf unfairste Art und Weise schikaniert, zutiefst gedemütigt und verliert dadurch seine Würde und sein Selbstvertrauen.

Mobbing kennen wir vor allem aus dem Umfeld von Schulen und Arbeitsplätzen. Jedoch kann es auch in anderen Lebenssituationen, bei Freizeitaktivitäten, in Vereinen und allen möglichen sozialen Gruppierungen dazu kommen. Über das Cyber-Mobbing kann es bis in ein einzelnes Zimmer und in die tiefste Privatsphäre eindringen.

Ab wann ist es Mobbing?

Das Wort Mobbing kommt aus dem Englischen „to mob“ und bedeutet über jemanden lärmend herfallen, jemanden anpöbeln, angreifen oder attackieren. Ins Deutsche wurde der Begriff „Mobbing“ von Konrad Lorenz, dem österreichischen Verhaltensforscher, eingeführt. Damals aufgrund von Beobachtungen an Tiergruppen, die ein Angriffsverhalten gegenüber Eindringlingen zeigten. Von Peter-Paul Heinemann, dem schwedischen Arzt und Schuldirektor, wurde der Ausdruck 1969 in seinen Arbeiten über psychosoziale Gewalt unter Kindern verwendet. Untersuchungen des deutschen Arbeitspsychologen Heinz Leymann gaben dem Wort „Mobbing“ die Bedeutung, die es für uns heute hat. 

Christa Kodolej, die Leiterin des Zentrums für Konflikt- und Mobbingberatung in Wien, verwendet in ihrem Buch „Mobbing – Psychoterror am Arbeitsplatz und in der Schule“ folgende Definition: Der Begriff Mobbing beschreibt eine Konflikteskalation am Arbeitsplatz, bei der das Kräfteverhältnis zu Ungunsten einer Partei verschoben ist. Diese Konfliktpartei ist systematisch feindseligen Angriffen ausgesetzt, die zu maßgeblichen individuellen und betrieblichen Schädigungen führen können“.

Gleichzeitig sind sich die Autor:innen einig, dass Meinungsverschiedenheiten und Konflikte am Arbeitsplatz sich unter Umständen zwar zu Mobbing entwickeln können, grundsätzlich stellen sie jedoch kein Mobbing dar. „Jemand wird unverschämt, wirft einem Kollegen eine Beleidigung an den Kopf oder macht sich über ihn lustig. Auch wenn es ärgerlich ist – so etwas gehört nun einmal zum menschlichen Zusammenleben dazu … dumme Scherze, die gar keine Scherze sind. Kommt es eher selten vor, dann gibt es immer die Möglichkeit, sich hinterher auszusprechen, die Chance, den Ärger zu bereinigen. Krank wird man davon kaum. Krank wird man, wenn die Gehässigkeiten, die dummen „Scherze“ oder die Gemeinheiten zur täglichen Routine werden. Dann spricht man vom Mobbing oder vom Psychoterror am Arbeitsplatz“, schreibt zum Beispiel Leymann. 

Auch ein hochemotional geladener Streit stellt noch lange kein Mobbing dar und gilt nicht als besorgniserregend. In einem Betrieb mit entwickelter Unternehmenskultur werden Möglichkeiten geschaffen, um derartige Konflikte in einem klärenden Gespräch zu lösen.

Diese Arten gibt es!

Mobbing

Mobbing ist nicht immer eindeutig zu erkennen! Es kann überall vorkommen, in der  Schule, am Arbeitsplatz, im Internet … 

Verbales Mobbing geschieht durch sprachliche Beschimpfungen und Beleidigungen – ein Mensch wird ständig kritisiert, beleidigt oder ausgelacht.

Körperliches Mobbing: Ein Mensch erlebt in diesem Fall körperliche Gewalt, es kommt regelmäßig zu Schubsereien, Tritten und Schlägen.

Soziales Mobbing
Ein Mensch wird absichtlich ignoriert, ausgeschlossen oder schlecht behandelt – oft werden hinter seinem Rücken Gerüchte gestreut.

Cyber-Mobbing
Ein Mensch wird im Internet – vor allem in Foto- und Videoplattformen und in Sozialen Netzwerken – und über das Handy bloßgestellt, beleidigt, bedroht und belästigt.

Wer ist beteiligt?

Wie bei jedem Problem, das aufgrund zwischenmenschlicher Beziehungen in Erscheinung tritt, gehören auch beim Thema Mobbing mindestens zwei Personen dazu, die dieses ermöglichen. Dies sind in erster Linie Täter:in und Opfer. Jedoch stellt sich ein Mobbingprozess komplexer und systemübergreifend dar, als dass man ihn auf zwei Personen und einzelne Handlungen festmachen könnte. Wenig überraschend treten deshalb bei Mobbing die Begriffe Mitläufer:innen und Verstärker:innen auf sowie Hinweise, dass jede Person, in deren Umkreis Mobbing stattfindet, in irgendeiner Weise als Beteiligte:r anzusehen ist. 

Dies kann so verstanden werden, dass jeder Mensch, in dessen Umgebung Mobbing passiert – und der dieses nicht tatkräftig zu verhindern versucht – sich als Mobbingbeteiligte:r zu verantworten hat. Ein „Sichraushalten“ und Schweigen ist zwar ein zum Teil verständliches menschliches Verhalten, aber es verhindert in keiner Weise ein bereits passierendes Mobbing – im Gegenteil: Es wird dieses eher verstärken. Für die Opferrolle gilt grundlegend, dass jeder Mensch von Ausgrenzung und Feindseligkeit betroffen sein kann und durch diese verletzbar ist. Eine typische Persönlichkeit, die die Kriterien eines Mobbingopfers erfüllt, gibt es deshalb nicht. Mobbing kann jeden treffen.

Wie geht es Menschen, die gemobbt werden?

Die Auswirkungen von Mobbing am Arbeitsplatz können als massiv und krisenhaft bezeichnet werden. Sie betreffen in keiner Weise nur das Arbeitsumfeld und damit verbundene finanzielle Angelegenheiten. Sie beeinflussen auch die psychische und physische Gesundheit, das Familienleben und das Sozialverhalten negativ. Die Opfer leiden unter zahlreichen Symptomen, die von Schlaflosigkeit, Nervosität, Rückenschmerzen und so weiter bis hin zu Panikattacken reichen. Sie fühlen sich ohnmächtig und verlieren zum Teil ihr Selbstvertrauen und ihre Würde.

Betroffene schildern:

  • Herr A. bezeichnet die Zeit des Mobbings als sehr anstrengend. Er machte sich viele Sorgen, da er seine Lage auch als existenzbedrohend empfand. Durch lange Krankenstände hatte er finanzielle Einbußen und er beschreibt, dass sich das Mobbing auch familiär negativ ausgewirkt hat, weil er auf jede Kleinigkeit gereizt reagiert hat. Da das Mobbing mittlerweile überwunden ist, glaubt er nicht, dass er Dauerfolgen davongetragen hat.

  • Frau B. fragt sich auch heute noch, ob sie etwas falsch gemacht hat. Sie erinnert sich, dass sie Magenschmerzen, Rückenprobleme und Verspannungen im Nacken hatte. Nachdem sie gekündigt hatte, verspürte sie noch öfters Zorn auf ihre ehemaligen Vorgesetzten, da sie dann eine Arbeit annehmen musste, die sie damals nicht machen wollte. „Ich habe mich in den neuen Job so hineingedrängt gefühlt und musste finanzielle Einbußen in Kauf nehmen“. 

  • Frau C. schildert, dass sie neben den Schlafproblemen die ganze Zeit über nervös war. Sie wog zum Zeitpunkt des Mobbings auch weniger, Essattacken und Appetitlosigkeit wechselten sich ab. Die Erholung am Wochenende hielt nicht lange an. Bei verbalen Attacken hat sie zuletzt zu zittern und zu weinen begonnen, wofür sie sich am nächsten Tag wieder geschämt hat und in weiterer Folge versucht hat, besonders stark zu sein. Geprägt hat Frau C. das Mobbing dahingehend, dass sie ihren Mitmenschen mehr misstraut und nicht mehr so offen und unbefangen ist. „Ich schau halt immer, wie die anderen Menschen so sind“, ergänzt sie dazu.

  • Frau D. spricht beim Thema Auswirkungen des Mobbings von Angstzuständen beim Gedanken an die Arbeit: „Ich war einfach fix und fertig und habe mir immer gedacht, wie schaffe ich das, dass ich da wieder hingehe.“ Sie befand sich in einem Teufelskreis und beschreibt sich als ohnmächtig, ferngesteuert und voller Selbstzweifel.

  • Frau E. erzählt, dass sie bis zu ihrem letzten Arbeitstag nicht gemerkt hatte, wie psychisch krank und schwach sie das Bossing durch ihren Chef bereits gemacht hatte. Nachdem ihr an diesem Tag ein für sie sehr schrecklicher Fehler passiert ist, kam es zu einem psychischen und körperlichen Zusammenbruch. Sie brach in Tränen aus und ließ sich daraufhin vom Hausarzt krankschreiben. Dann folgte eine Phase der Erschöpfung.

Die von mir initiierte Selbsthilfegruppe Mobbing Innviertel hat sich – nach einer mehr als fünfjährigen aktiven Gruppenphase – aufgelöst. In Verbindung mit dem Familien- und Sozialzentrum in Andorf stehe ich weiterhin für Einzelgespräche zum Thema Mobbing zur Verfügung.“



Romana Fischer, BA – Sozialarbeiterin, Dipl. Mentaltrainerin
 

Unterstützungsangebote

„Soziale Unterstützung in Form von Gesprächen, in denen man verstanden wird und vertrauen kann, in denen lösungsorientierte Perspektiven aufgezeigt werden oder aber auch Vermittlungs- und Schlichtungspositionen eingenommen werden, ohne dadurch die bestehenden Fronten zu verhärten, stellt einen der wichtigsten Bewältigungsfaktoren bei Mobbing dar. Dadurch kommt es nicht oder in geringerem Ausmaß zu krankheitsfördernden Verhaltensweisen, und die belastende Situation wird von den Mobbingbetroffenen als weniger gravierend erlebt“, schreibt Kolodej.

In Oberösterreich gibt es unterschiedliche Angebote, bei denen von Mobbing betroffene Menschen Unterstützung erhalten. Darunter fallen Mobbingberatungen beim Österreichischen Gewerkschaftsbund, bei der Arbeiterkammer, bei Fit2work und das Mobbingtelefon der Diözese Linz. Betroffene können sich auch an die Krisenhilfe und an die Psychosozialen Beratungsstellen von pro mente wenden. Zusätzlich können ärztliche, psychotherapeutische, juristische und rechtliche Expert:innen ein wichtiger und wirksamer Teil der Hilfe sein. Es ist wichtig, sich Menschen zu suchen, die einen ernst nehmen und eine vertrauensvolle Beziehung anbieten. Dies kann oft auch eine gute Freundin oder ein guter Freund sein.

Links

Ramona Fischer, BA  Sozialarbeiterin, Dipl. Mentaltrainerin – Tel.: 0699 8149 4054

Selbsthilfegruppen in OÖ: https://www.selbsthilfe-ooe.at/selbsthilfegruppen/ 

Konflikt- und Mobbingberatung Diözese Linz: www.dioezese-linz.at/mobbingtelefon

Fit2work: https://www.fit2work.at/

Krisenhilfe OÖ: https://www.krisenhilfeooe.at/

Wir danken Gastautorin Ramona Fischer für ihren wertvollen Beitrag.

Literaturquellen:

  • Fischer, 2019. Die Dynamik von Mobbingprozessen am Arbeitsplatz. Ein Einblick in die Perspektive von Betroffenen. Linz: FH OÖ.
  • Haben, G. & Harms-Böttcher, A, 2000. Das Hamsterrad. Mobbing – Frauen steigen aus. Berlin: Orlanda.
  • Kolodej, C., 1999. Mobbing – Psychoterror am Arbeitsplatz und in der Schule. Wien: Facultas Verlags- und Buchhandels AG.
  • Leymann, H., 1993. Mobbing. Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH.
  • Merk, K., 2004. Mobbing. Praxisleitfaden für Betriebe & Organisationen. Leonberg: Rosenberger Fachverlag.
  • ÖGB, 2016. Aktiv gegen Mobbing am Arbeitsplatz. Wien: Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes.

 

FOTOS: ADOBE STOCK | PIXABAY | PRIVAT

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