Vorsorgevollmacht Patientenverfügung selbstbestimmt leben

Vorsorgevollmacht – vorsorgen, jetzt und heute!

Eine deutlich gestiegene Lebenserwartung bedeutet nicht, bis ins hohe Alter auch ausreichend entscheidungsfähig zu bleiben. Es liegt an uns, für diese Zeit durch die Auswahl geeigneter Vertrauenspersonen vorzusorgen und unsere Vorstellungen in einer Vorsorgevollmacht festzulegen – um selbstbestimmt leben zu können.

Viele von uns werden in die Situation kommen, aus geistigen und/oder psychischen Gründen „einmal“ – zumindest in Teilbereichen – nicht mehr selbst Entscheidungen treffen zu können. Dies betrifft nicht nur Angelegenheiten des Alltags, sondern auch so wichtige Bereiche wie „wer entscheidet über die Organisation meiner Pflege, wer entscheidet über die Notwendigkeit, in ein Alten- und Pflegeheim übersiedelt zu werden, wer unterstützt bei Entscheidungen über Krankenbehandlungen, wenn ich selbst zur Zustimmung nicht mehr fähig bin, wer verwaltet mein Vermögen“?

„Das hat ja noch Zeit ... ?“

Ohne Zweifel ganz existenzielle Fragen, aber auch Gedanken, die naturgemäß ein gewisses Unbehagen auslösen, mit denen man sich am liebsten „jetzt noch nicht“ auseinandersetzen will, sie daher beiseite schiebt oder gar verdrängt, „das hat ja noch Zeit“. Doch diese Einstellung ist falsch! Jeder von uns kann schon morgen – auch absolut unerwartet – durch ein akutes krisenhaftes gesundheitliches Problem, einen Schlaganfall, einen Herzinfarkt oder ein schweres Schädel-Hirn-Trauma nach einem Unfall in dieser Situation sein. Und jeder von uns möchte sich dann nicht nur medizinisch in guten Händen wissen, sondern sicher sein, dass eine Person des Vertrauens sich um seine Belange kümmert und Entscheidungen in seinem Sinne trifft. 

Die gute Nachricht ist, Sie können heute durch eine Vorsorgevollmacht nicht nur entscheiden, also selbst auswählen, wer diese Personen des Vertrauens sein sollen, sondern auch verbindlich Ihre eigenen Vorstellungen bzw. Vorgaben für diese Personen festlegen. Was oft nicht bedacht wird: Sie erleichtern dadurch auch der Person Ihres Vertrauens, Ihrer Partnerin/Ihrem Partner, Ihrem Kind in einer an sich ohnedies belastenden Phase die Vertretung und Fürsorge für Sie ganz erheblich!

 Mit 01.07.2018 wurde das bisher bekannte Sachwalterschaftsrecht durch das Erwachsenenschutzrecht abgelöst. Dieses sieht für die Vertretung von nicht mehr entscheidungsfähigen Menschen ein Vier-Säulen-Modell vor, abhängig von rechtzeitig getroffener Vorsorge und verbliebener „Restentscheidungsfähigkeit“.

„Die Vorsorgevollmacht ist die einzige Möglichkeit, selbstbestimmt rechtzeitig Ihre Vertreterin/Ihren Vertreter auszuwählen und verbindlich Ihre Vorstellungen für Ihre später einmal notwendige Vertretung festzuschreiben.“ 

 
 
 
 
 
 
 
 

Dr. Martin Greifeneder
 

Die Vorsorgevollmacht im Überblick

Der große Vorteil der Vorsorgevollmacht gegenüber allen nachgeordneten Vertretungsvarianten ist die Möglichkeit, bereits zu einem Zeitpunkt, in dem man vollkommen entscheidungsfähig ist, also selbstbestimmt eine oder mehrere Vertrauenspersonen für den Fall des Verlustes der Entscheidungsfähigkeit selbst auswählen zu können und deren Aufgabenbereiche klar zu definieren. Der Wirkungsbereich der Vollmacht kann dabei einzelne konkret bezeichnete oder bestimmte Arten von Angelegenheiten umfassen.

So können Sie etwa Ihren Sohn für die Verwaltung Ihres Vermögens, für sämtliche Bankgeschäfte und für die Vertretung bei Ämtern und Behörden bestimmen und Ihre Nichte mit der Personenobsorge und einem allenfalls notwendigen Wohnsitzwechsel betrauen. Ihr Sohn kann so beispielsweise Pensions- oder Pflegegeldangelegenheiten für Sie erledigen, Ihre Nichte kann Ihre Pflege zu Hause organisieren, Sie bei medizinischen Entscheidungen unterstützen oder den Wohnsitz verlegen, wenn z. B. die Übersiedlung in ein Altersheim erforderlich ist. 

Sie können aber auch die gesamte Vertretung in eine Hand geben. Ein weiterer wesentlicher Vorteil der Vorsorgevollmacht ist, dass Sie – noch im Vollbesitz der Entscheidungsfähigkeit – bestimmte Aufträge bzw. Vorstellungen festlegen können, um die bestmögliche Sicherheit zu haben, dass die bevollmächtigte Person später zu Ihrem Wohle und möglichst im Sinne Ihrer Vorstellungen tätig wird. Dies erleichtert es auch Ihren VertreterInnen im Rahmen des Möglichen die Vertretung an Ihren Vorstellungen auszurichten.

Die vier Säulen der Erwachsenenvertretung

Vorsorgevollmacht

Möglichkeit, im Zustand der vollen Entscheidungsfähigkeit selbstbestimmt eine oder mehrere Vertrauenspersonen zu wählen, und deren Aufgabenbereiche individuell für den Fall des Eintritts der eigenen Entscheidungsunfähigkeit festzulegen.

Gewählte Erwachsenenvertretung

Eine Vorsorgevollmacht wurde nicht rechtzeitig errichtet, die Entscheidungsfähigkeit ist nicht mehr voll, aber noch so weit gegeben, um selbst noch eine oder mehrere Personen auswählen können, die die Vertretung übernehmen.

Gesetzliche  Erwachsenenvertretung

Eine Vorsorgevollmacht wurde nicht rechtzeitig errichtet, die eigenständige Wahl einer/eines gewählten Erwachsenenvertreterin/vertreters ist ebenfalls nicht mehr möglich. Ein gesetzlich genau umschriebener Kreis von nächsten Angehörigen kann in genau festgelegten Belangen die Vertretung übernehmen.

Gerichtliche Erwachsenenvertretung

Eine Vorsorgevollmacht wurde nicht rechtzeitig errichtet, die eigenständige Wahl einer/eines gewählten Erwachsenenvertreterin/-vertreters ist nicht mehr möglich, nächste Angehörige stehen zur Vertretung nicht zur Verfügung.  Das Gericht bestellt zu Ihrer Vertretung eine Person oder einen Erwachsenenschutzverein. 

Wer kann Vorsorgebevollmächtigte/r sein?

Grundsätzlich jeder erwachsene Mensch Ihres Vertrauens – das können Angehörige, FreundInnen, NachbarInnen oder andere Ihnen nahestehende Menschen sein. Ausnahmen bestehen nur für Personen, die ungeeignet erscheinen, zum Beispiel weil sie selbst nicht ausreichend entscheidungsfähig erscheinen oder in einer Pflegeeinrichtung tätig sind, in der Sie gepflegt werden.

Wo kann ich eine Vorsorgevollmacht errichten? Wer berät mich?

Für die Errichtung einer Vorsorgevollmacht ist eine bestimmte Form vorgesehen. Sie ist schriftlich und höchstpersönlich vor einer Notarin/einem Notar oder Rechtsanwältin/Rechtsanwalt, in einfachen Fällen auch bei einem lokalen Erwachsenenschutzverein zu errichten. Diese lassen die Vorsorgevollmacht im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) registrieren.

Wann wird eine Vorsorgevollmacht wirksam?

Die Vorsorgevollmacht sorgt für einen späteren Verlust der Entscheidungsfähigkeit lediglich vor, sie wird daher nicht bereits mit ihrer Errichtung wirksam. Die Wirksamkeit tritt erst bei Eintritt des Vorsorgefalles ein, also bei Verlust der vollen Entscheidungsfähigkeit betreffend die anvertrauten Angelegenheiten. Für die Aktivierung der Vorsorgevollmacht, die wiederum im erwähnten Register (ÖZVV) einzutragen ist, ist ein ärztlichen Zeugnis erforderlich, wonach Ihre Entscheidungsfähigkeit in Angelegenheiten, die von der Vorsorgevollmacht umfasst sind, nicht mehr gegeben ist.

Wie lange behält diese Vorsorgevollmacht ihre Gültigkeit?

Die ersteilte Vorsorgevollmacht gilt grundsätzlich unbefristet, sie kann aber jederzeit widerrufen werden.

Wird die/der Vorsorgebevollmächtigte vom Gericht kontrolliert?

Die/der Vorsorgebevollmächtigte unterliegt – zum Unterschied zu den anderen Vertretungsmodellen – grundsätzlich nicht der gerichtlichen Kontrolle. Dies erleichtert zum Beispiel Ihrer Ehepartnerin/Ihrem Ehepartner, Ihrem Kind die Tätigkeit erheblich.

Was kostet eine Vorsorgevollmacht?

Die Errichtung der Vorsorgevollmacht kostet bei den Erwachsenenschutzvereinen 75 Euro  (+ 25 Euro für einen Hausbesuch, die Registrierung kostet 37,60 Euro. Die Registrierung des Eintritts des Vorsorgefalles kostet zehn Euro. Aus Kapazitätsgründen ist jedoch nur die Errichtung einer einfachen Vorsorgeverordnung beim Verein möglich. Bei Rechtsanwält:innen/Notar:innen werden die Kosten individuell, je nach Aufwand, vereinbart.

Selbstbestimmtheit auch im Alter und in Krisensituationen ist ein hohes Gut. Wir haben es selbst in der Hand zu entscheiden, wieviel von unserer Selbstbestimmtheit einmal in unserer Vertretung noch fortwirken wird.

Gastautor Dr. Martin Greifeneder ist Richter am Landesgericht Wels, Redakteur der Österreichischen Zeitschrift für Pflegerecht (ÖZPR) und Autor des Kommentars zum Pflegegeldrecht „Handbuch Pflegegeld“ aus dem Verlag Manz.

FOTOS: NMANN77/STOCK.ADOBE.COM & PRIVAT

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